Riten, Opfer, Symbole und Kunst vor- und frühgeschichtlicher Kulturen führen schließlich als die Summe der kultischen Verpflichtungen zu einer numinosen, vollkommen durchgestalteten Vorstellungswelt. Dies trifft für die mythologische polytheistische Götterwelt der Hethiter, Assyrer, Babylonier und Ägypter genauso zu wie für die der griechisch-römischen Antike. Doch erst mit der theoretischen Überhöhung und Konzeptualisierung (Monismus, Monotheismus, Dualismus) der göttlichen Glaubenswelten gelang die Loslösung von regional verwurzelten Kulten zu letztendlich universalen Religionen.
Diese Entwicklung zeichnet Karl-Heinz Ohlig in Religion in der Geschichte der Menschheit anhand zahlreicher Beispiele anschaulich nach: Rituale (Bestattung), alltägliche wie verehrungswürdige Kunstgegenstände (Tonfiguren), die Anlage von Kultstätten, die zuerst orale und dann schriftliche Tradierung ritueller Vorschriften (ägyptische Wandmalereien, Göttermythen, juristische Prozesse) sowie deren weitere Ausgestaltung durch Spezialwissenschaften wie Philosophie und Theologie. Dabei lässt sich neben Parallelen in der Ausbildung eines religiösen Bewusstseins in der Frühzeit auch eine stetige Entmystifizierung des Numinosen durch die Professionalisierung der Glaubenswelten feststellen.
Auf breiter Quellenbasis, präziser Kenntnis der Forschungsliteratur und hohem Reflektionsniveau geschrieben, ist diese Darstellung über Glauben, Identität und die Entwicklung von Handlungen zu Geistigem sehr empfehlenswert. Dabei bleibt sie immer verständlich und lässt keine westlich-christozentrisch verengte Perspektive erkennen. Spezialisten werden Vernachlässigungen oder Vereinfachungen bemängeln (jüdische Religion, christliche Theologie, Ägyptologie), doch ist dies die Krux eines jeden Überblicks. Dieser ist bis auf das fehlende Register eindeutig gelungen. --Osseline Kind
Dieser Titel wurde erstmals am Dienstag, 28. Januar 2014 in unseren Katalog aufgenommen.
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